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BYND

Konstantin Arnold

VINDIMA

VINDIMA

Das Leben ist gut auf dem Land. Es ist schön und hart und einfach und so ist es gut. Das Schöne daran ist, dass es ehrlich ist und mit den Jahreszeiten geht. Das schrieb schon Vergil, fern von Waffen und Eitelkeiten, Sorglos in seiner Ruhe, ein Leben ohne Betrügen. Die Jahre sind lang, Gutes geschieht und manchmal Schlechtes. Alles zu seiner Zeit. Wenn im Frühling der Nordwind weht und die Reben schmucklos sind, fast tot, denkt der Winzer mit Sorge an das Jahr. Drei Mal muss er pflügen, den Grund ständig brechen. Zwei Mal droht Schatten den Reben, zwei Mal Unkraut, so wölkt er auf den Staub, auch wenn die Trauben schon reif sind, ist Unwetter zu fürchten. Das Landleben ist hart, weil man jene Entbehrungen kennt, die etwas kostet, nicht nur seinen Preis. In der Stadt vierdienen wir die Feiertage nicht. Man sitzt am Schreibtisch, wird langsam fetter, steckt Blumen in Vasen, will Birnen im Mai. Landleben ist einfach, weil es nichts bringt, die Dinge noch besser zu verstehen, als sie sind. Sie lassen sich in Arbeit und Mahlzeiten unterteilen. Von Montag bis Samstag. Dann wird geruht, wie in der Bibel, wobei der Kirchgang nur ein Witz ist. Man hat ein Samstagsgefühl, dem ein Sonntagsgefühl einhergeht, zieht sich was Ordentliches an, duscht, versucht sich die Fingernägel zu schrubben, vergeblich. Die Sonntage sind mehr ein Versuch. Sie verdammen zum Nichtstun und traurigen Gedanken. Man kann sie benennen und verstehen und in sich aufheben lernen. Versuchen, dass sie nicht auf Abwege geraten und Ziele anstreben, die nie zu erreichen sind. Die Stadt bringt sie hervor. Man denkt Gedachtes und drückt Ausgedrücktes aus. Fährt schnell für ein bisschen Wind. Lässt sich zu Alltäglichkeiten und Ausschweifungen hinreißen. Streift aus idealistischen Trieben und Sehnsüchten zwischen wunden Seelen umher. Sommer ist in der Stadt nur eine Mode, ein Geruch von Chlor, das in der Sonne trocknet. Wer einmal eine Zeit mit Landarbeit verbracht hat, weiß wovon ich rede. Es ist in erster Linie eine dreckige Arbeit, die umso sauberer wird, je näher sie der Stadt kommt. Es ist Arbeit, weil alle guten Dinge im Leben Arbeit sind. Oliven, Austern, Beziehung. Man versteht dann die, die mit dem Landleben auch in der Stadt weitermachen, abends, mit Dreck unter den Nägeln und Farbe auf den Sachen, geschafft vor einer kleinen Lissabonner Kneipe. Vor randvollen Gläsern mit Oberflächenspannung, Kapillarität nennt man das. Zu denen ging ich, als das Ende des Sommers kam, fragte nach der Ernte und wo man die machen kann. Ich sagte, ich hätte Oliven geerntet, könne hart arbeiten, gut Essen und würde eine Flasche vertragen. Einer sagte, er kenne da jemanden, ich solle morgen wieder kommen. Ich kam morgen und am nächsten Morgen und auch an dem Morgen danach. Ich kam jeden Tag, eine Woche lang. Es waren sehr nette Leute und immer die gleichen und man konnte sich gut an ihnen orientieren. Ich fragte, wo denn nun dieser Herr bleibt, und sie sagten, ich solle mich Gedulden, der würde schon kommen. Einige sagten es nur so, aber ein paar meinten es auch noch als ich weg war. Das Jahr war heiß und die Ernten begannen immer früher und wenn dann Regen kam, zog sich alles noch weiter hinaus. Bei schlechtem Wetter konnte man nicht ernten. Es gibt kein schlechtes Wetter, sagten sie dann, es gibt nur schlechtes Wetter, das in diesen Zeiten sehr gut ist. Ich ließ ihnen meine Nummer da und am nächsten Tag rief auch jemand an. Der Herr war dran und meinte, ob ich die Weinernte mitmachen wollte und wenn ich wirklich eine ordentliche Weinernte machen wollte, dann bei Badula, bei José Marques, im Ribatejo, nördlich von Lissabon. Morgen ginge es los, wenn sich das Wetter […]

FANAL

FANAL

Keine Ahnung, was los ist. Ich versuche schon seit einer Weile kein guter Mensch zu sein und finde das schwieriger, als sonst irgendetwas, außer vielleicht zu verstehen, wo die eigene Interpretation der Dinge endet und sehr wohl der Vorwurf des anderen beginnt; oder zu wissen wie etwas ist, bevor es sich ändert, oder selber zu entscheiden, was richtig ist und was falsch, oder wirklich zu denken und zu fühlen, was man fühlt und denkt und nicht, was man denken und fühlen sollte, weil man nicht schlecht genug ist. Anstand wäre doch zu sagen, ich habe geweint, weil ich dich liebe, aber das ist meine Sache. Es geht dich nichts an. Du sollst kommen und gehen, wann du willst. Wenn du kommst, will ich mich freuen und wenn du gehst, nicht traurig sein, selbst wenn ich lüge. Wir sitzen im Park auf einer Bank, nicht weit von Estefania. Ein Stück Grün, das man auf Alltagswegen passiert. Wir haben hier schon groß Schlachten geschlagen und Fragen auf die großen Antworten der Liebe gesucht. Gefühle sind kompliziert. Man hat sie schon, man muss nicht noch drüberschreiben. Drüber schweigen. Alle wichtigen Augenblicke bedürfen der Sprache nicht. Ich wünschte ich könnte das glauben und warten, wie alle warten, ein bisschen auf den Bus und ein bisschen auf den Tod, darauf, dass einem schon wer das Warten versüßt und alles von alleine passiert, ohne, dass man es selbst passieren lassen muss. Was ist das Leben mehr als eine große Abschweifung, aber Schreiben und Lieben nicht, denn auf irgendeine Art beweist es irgendwas, ein Gefühl von Leben und ein Gefühl von Tod, Sterblichkeit und Unsterblichkeit, eine Atempause, einen Augenblick lang damit fertig, obwohl man noch lebt. Ein Beweis fühlt sich nie so an, wie das, was er beweist. Sie gibt mir einen Kuss und der Kuss kann sich nicht immer anfühlen, wie nach einem langen Gespräch im Park oder wenn man sehr geil ist oder sich gerade aus einem brennenden Frack befreit hat, weil er sich manchmal eben anfühlt, als hätte man das Gespräch zu Hause geführt, ohne Wein und das irgendwas gebrannt hat und man sich eine Weile nicht sieht. Man erwartet von einem Gefühl, dass es so oder so ist und nur weil es nicht so ist, ist es nicht schlecht. Tiefen Gefühlen kommen viele andere komplizierte Gefühle in die Quere, Schwerkraft der Werte. So ist das nun mal. Manche Leute sind vielleicht so sehr etwas, dass sie es gar nicht mehr tun brauchen. Aber ohne mich und das würde ich wahrscheinlich gar nie drüberschreiben, weil die Tendenz besteht, dass man, wenn man zu lange wartet und anfängt, etwas von einer Sache zu verstehen, überhaupt nicht mehr schreiben will. Zu wissen wann und trotzdem nichts auf Morgen zu verschieben und darauf zu vertrauen, dass der Morgen kommt, an dem man sich liebt, ein Buch zur Hand nimmt, einen Satz schreibt, über diesen Platz geht, mit Bäumen auf beiden Seiten und dem Zeitungsladen an der Ecke, wo die Elektrische abbiegt und weiter zum Parlament fährt. Wo war ich? Egal, stimmt das Timing nicht, ist alles wie ein fauler Trick, ein überflüssiger Effekt, unangebracht, aufgesetzt, wirkungslos und so weiter. Man kommt sonst wo her, obwohl der Moment ein ganz anderer ist. An meiner Wand hängen tolle Zitate dazu: Eins von Horaz zum Thema wann man was sagt und eins von Remarque, der den Wert eines Mannes anhand der Geschichten festmacht, die er nicht geschrieben hat oder sie so geschrieben hat, dass er sie nicht nochmal schreiben muss. Zwischen beiden klebt ein Bild vom Piemont. Wollte ich schon immer mal hin. Werden wir jetzt auch. Auf dem Rückweg von Portofino. Sind erst zwei Tage am Cap Ferrat und fahren dann dorthin. Rückflug von Turin. Ob ich vorher noch auf ein paar Drinks rumkomme? […]

OZEAN

OZEAN

Ich wusste eigentlich nichts über die Malediven, außer, dass die weit weg sind, irgendwo bei Asien im Meer. In den Träumen von Leuten, die viel arbeiten und unglücklich sind, weil sie keine Flitterwochen auf Inseln machen. Also gar nicht da, wo sie sind, eher auf Desktophintergründen und Werbeplakaten der Karmaindustrie. Ich habe sie in Schaufenstern von Reisebüros gesehen, die ständig Neueröffnung feiern, und schön blau in Unterhaltungen von ihnen gehört, die ich nicht ausstehen kann. Diese Inseln klangen wie der Lebensraum eines Lebenstraums aufs Kleingartenformat reduziert. Ein Sehnsuchtsort, der kein Photoshop braucht. Keine Filter. Auch keinen Baliquatsch. Chiasamen, Früchte, Dehnübungen wie man sie aus dem Fußballverein kennt, nur halbnackt und in Leggins, mit Meditation. Ganz allein für sich und mit Followern, die toll finden, wie man doch in Zen ist, mit sich und der Welt und all ihren Müslisorten. Ein Ruf eilte den Malediven voraus, und den galt es zu zerbrechen. Es gibt keinen Ort auf der Welt, der die Erwartungen mehr konzentriert. Man kann so fast nur eine Scheißzeit haben. Auf den Malediven sein habe ich deshalb in den Wochen vorher mit meinem Therapeuten geübt. Er meinte, wir hätten nichts zu beweisen und ich werde da ruhig wie Frühstücksmusik. Ich bin auch nicht so der tropische. Ich finde sie zu transpirierend und nehme den Zustand einer Schildkröte an. Schwitze, renne ständig aufs Klo, esse Salatgurken, schlafe am Meer. Ich trage gerne feste Schuhe und Hosen, sitze abends rauchend vor einem Pariser Bistro. In den Tropen kommt mir Rauchen noch viel schädlicher vor. Ein Freund meinte, Malediven, das passt ja mal gar nicht zu dir, die haben doch nicht mal Kolonialbauten. Außerdem siehst du scheiße aus in kurzen Hosen und der Wein ist schweineteuer, die zahlen 120 Prozent Steuern darauf. Ob ich ihr dort einen Antrag mache, oder Kinder? Nein, sagte ich, ich fliege zum Surfen hin. Surfen, sagte er, ich dachte damit wäre endgültig Schluss? Wirklich Schluss ist damit nie, antwortete ich. Der Himmel blau, die Luft ist mies, junge man das Paradies! Außerdem muss ich mir die Traumfabrik der Surfindustrie mal angucken. Die haben die Wellen von Zahnpastatuben und Duschdasverpackungen. Arabien knallt dort auf Orient. Unter Palmen. 26 Atolle, 2000 Insel. Das islamische Land besteht zu 99% aus Wasser. Seine Menschen sind Seefahrer, Fischer, Reisende, Expräsidenten, ich hatte gegoogelt. Den Rest wollte ich mir, für meine Weltanschauung, selber ansehen. Und außerdem, alles, was nicht zu mir passt, passt zu mir. Seit ich mit 16 mein erstes Surfmagazin in den Händen hielt, im Presseshop am Markt, flog ich durch die Welt, immer in Strandnähe. Studierte in Australien, Neuseeland, Lissabon, lebte in Indonesien und Mittelamerika, verfolgte die World Surf Tour von Südafrika bis Hossegor, surfte im Nahen Osten, stand mit den Größten des Sports an der Bar (manche von denen konnten eine Zigarettenlänge die Luft anhalten), versuchte Frauen klarzumachen, reduzierte Länder auf ihre Küsten und Küsten auf ihre Strände und die Strände auf Wellen, weil Surfen etwas Absolutes ist. Einen Strand benutzte ich nur, um über ihn drüber zu gehen. Mein Horizont ging von mir aus bis zur Sandbank. Von Madrid und von Goya hatte ich nie was gehört. Ich fuhr wie alle richtigen Surfer mein Dieselfahrzeug ignorant durch Europa, schiss in die Büsche, ließ mir die Haare wachsen, brachte meinen Restmüll und meine Geschlechtskrankheiten mit und dachte ich bin aber sowas von cooler […]

NEULICH BEIM WEINHÄNDLER

Neulich beim Weinhändler

Wenn man sich gerade an den Winter gewöhnt, das späte Licht, die kalte Luft, den Mantel, den Regen, wenn man gar nicht mehr daran denkt, dass es je anderes gewesen ist und nie wieder wird, kommt der Sommer plötzlich, wie eine Trennung. Die Tage, an denen Treppenstufen zu Plätzen wurden, weil dort etwas Sonne hinfiel sind vorbei, gezählt, gesessen. Es strahlt dann überall, und die Tage werden länger. Man weiß immer schon, dass etwas vorbei ist, bevor es so ist. Es ist ein feiner Staub, der sich über alles legt, wie die Reste eines Traums. Frühling! Drinnen nackt schlafen und draußen Jacke tragen. Wenn ich nach einem Streit dann so schön weltenverloren durch die Straßen gehe und viele Portugiesen um mich habe, die mich zu einem besseren Menschen machen und denke, sie ist der blödeste Mensch der Welt und auf Deutsch vor mich hinfluche und jemanden treffe, den ich kenne, denke ich das nicht mehr. Mir wird dann schnell klar, was ich habe und dass es nicht selbstverständlich ist, egal wie oft man es haben kann, und dass es mit anderen ganz und gar nie so ist. Sie haben ihre Ansichten und lachen über andere Witze und wollen lieber Bestelltes essen und nicht mehr durch die Straßen gehen, nachdem die Geschäfte schließen. Aber vor allem versuchen sie es und werfen einem ihre Blicke nach, die interessant und selbstbewusst und verspielt daherkommen sollen, und wie ein verschluckter Schrei nach Liebe klingen. Ich fand diese Frauen immer toll, bis ich merkte, dass sie nie sehr lange hielten. Wer wirklich was ist, muss es nicht sein. Sie macht natürlich das, was jede Frau macht, aber sie macht es anders. Sie macht es auf eine Art, die Menschen anzieht, von denen es wenig gibt. Man hat immer die Wahl sich zwischen dem einen und dem anderen zu entscheiden. Das eine ist leichter als das andere, aber das eine führt ins Nichts. Alles hat damit zu tun oder mit dem Ausbleiben davon. Wenn sich Leute eine reinhauen und Beton ans Bein binden, um sich im Tejo zu versenken, hat es damit zu tun. Wenn ich mich für das eine entschied und nach einer langen Nacht dafür schämte und heimlich heulte und dann rausging, und nicht wusste wohin, war die Stadt für mich da, vor allem die Rua João do Outeiro, wo Zé da Mouraria ist. Sie schenkte mir ein Café in der Sonne oder eine schöne Bank und einen netten alten Menschen, der darauf sitzt und sagt: für einen Verrückten bist du eigentlich normal, rede mit ihr. Wir konnten manchmal tagelang kein Wort miteinander reden, aber ohne Reden verstanden wir uns prächtig. Das ist ein typischer Satz, ich weiß, aber ich wollte ihn schon immer mal schreiben. Ich wollte ihn damals schon schreiben, als ich noch Italienerinnen traf und Frauen aus Brasilien, die kein Wort Englisch konnten und der Satz noch weniger stimmte, mit dem Zusatz, dass ich versuchte, ihnen zu erklären, mir bitte ihre Zungen zu zeigen. Am besten lernt man die Sprache eines Landes durch eine Frau. Aber das ist nie so, wie es sich anhört, und nie so sehr so, wie jetzt, und es ist auch jetzt nicht ganz so, denn […]

NACHTS, OBEN IN GRAÇA

NACHTS, OBEN IN GRAÇA

Man denkt ja, der Campo Santana wäre nur so ein Hügel, aber das ist er nicht. Er ist wie der Bug eines Schiffs, das in die Unterstadt sticht. Die Gassen sind ein Universum. Amalie wurde in ihnen geboren. Candy, die Rahmenmacherin lebt hier. Mein erstes Haus ist nicht weit und das Café, in das ich früher gerne ging. Nur für die Zukunft. Es arbeitet immer noch dieselbe Kellnerin hier, immer noch so herzlich, dass sie gar nicht freundlich sein muss. Sie weiß genau, dass ich früher oft hier war und wieder da bin, aber sie tut so, als könne sie sich an nichts erinnern. An den kurzen Doppelten, und ein Glas Wasser und mein geschundenes Herz. Nach all den Jahren. Vor all den Dingen. Damals hatte ich noch keine Sachen für den Strand und war auch sonst sehr deutsch. Ich dachte immer schon an das, was ich tue, nachdem ich etwas fertig getan hätte, bevor ich angefangen hatte, es zu tun. Ich ging kurz vor die Tür, um mir ein Brathähnchen zu holen, egal wen ich treffe, ich hätte mich nicht um eine Mahlzeit meines Lebens bringen lassen. Aber das geht in Südeuropa nicht, weil man sich sonst gegen das Leben versündigt, so wie es sich in den Gassen bietet und man nie weiß, wen man trifft und wo man isst und in welcher Bar man später endet. Seit neustem haben alle meine Drinks da. Sie fragen, was ich nur will und umso mehr man weiß, desto weniger gibt man sich mit weniger zufrieden. Also ordentlichen Wermut und St. Germain her. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Damals in dem Café schrieb ich mal eine Geschichte über die Stierkampfarena und eine Markise unter der ich mal saß. Ich schrieb den ganzen Morgen und aß zu Mittag und schrieb dann noch ein bisschen mehr. Ich glaube irgendjemand rief mich an und fragte, wo ich bin und wies geht und wieso gerade da. Es war fast so Sommer wie jetzt. Mai meines Lebens. Die Bäume blühten und die Feiertage liefen so vor sich hin. Ich hatte vieles vor mir und einiges dahinter und keine Ahnung von dem Kreuzfeuer in das ich geraten würde und der Gratwanderungen, auf die sich jeder begibt. Ist es nicht das, was wir wollen? Ein Leben, dass seine Verluste und Verletzungen mit Falten und Furchen irgendwann in uns eingegraben hat? Es ist ein besonderes Gefühl, das ich sonst nur noch habe, wenn ich über den Platz vor meiner ersten Wohnung gehe und mich erinnere, wie es war, hier zu sein, vor allem Anfang und allen Verwicklungen und Verhältnissen, die das Ich eingeht, mit sich und der Welt und den Menschen und der Welt. Die Welt ist schön. Nur wir Menschen machen sie mit uns und unseren Kausalitäten und Korrelationen und all den anderen komplizierten Dingen mit K kaputt. Es ist immer noch die gleiche Welt, aber ein anderes Gefühl. Hunderttausend Mal gesehen, aber dieses eine Mal wirklich. Das Leben ist doch verrückt, was gar nicht schlimm ist, nur wenn es so wird, dass man es gar nicht mehr schreiben kann, ohne dass es einen Sinn ergibt, wird man es auch. Über das Gefühl von heute, werde ich das auch irgendwann sagen, mit anderen Plätzen, die auch schöne Gefühle haben, wenn man sich einmal daran erinnert. Man geht dann dorthin zurück und das Gefühl ist noch da. Die Luft ist frisch und das Wasser schimmert durch die Bäume. Ein Gedanke daran, wie es wohl eines Tages sein wird, die Zeit und der Blick und die Erinnerung daran. Was machen wir eigentlich? Wie viel berghoch für wie viel bergrunter? Keine Ahnung, was du machst, ich laufen so rum. Ich laufe gerne ziellos umher, nachdem ich gearbeitet habe und schaue, wohins mich zieht. Tagsüber lehrt sich das Notizbuch und abends wird es wieder voll. Du wirst nie fertig, vergiss es. Läufst dir die Absätze ab und schaust, was passiert und der Traum, in ein Café zu gehen und zu sehen, wer da ist, ohne sich zu verabreden, geht irgendwann in Erfüllung. Hemdknopf bis zum Hosenknopf offen. An manchen Tagen […]

GENUGTUUNG

GENUGTUUNG

Hätte ichs gestern geschrieben, wäre es nie so geworden wie heute und schreibe ich es heute, ist es nie so gewesen wie gestern. So ist das Leben. Die eigentliche Frage ist doch, wann mein geräucherter Körper hinter meinem Aussehen hervorkommt. Rauchen geht gut, solange einem der Tod nichts anhat, keine Zeichen zeigt. Für was hat man weiße Zähne, wenn nicht für Momente in denen sie schwarz werden? Gestern ist es noch ok mitternachts vor einem Quiosque zu stehen, wochentags, wie immer jung, heute ist man einer von denen. Man denkt ja, es sind immer die anderen, die alt werden und im immer noch vorm Quiosque stehen, sowas passiert einem nicht. Flugzeugabstürze, Leberzirrhosen oder Frauen, die den Gärtnern ficken, nachdem man sich das Leben genauso eingerichtet hat, wie sie wollen. Alles mitnehmen, heißt alles, alles, was das Leben ist und wie es ist, mit all seinen Kindern und Konsequenzen, nicht nur von einem sehr viel. Er hat alles mitgenommen, steht am Ende eines Künstlerlebens gerne auf den Verpackungen. Was da nicht steht, ist alles, was mit einundzwanzig noch stehen konnte, anstatt einer ernsthaften Liebe. Gut, dass mit den Kindern weiß ich selbst nicht. Solange sie einen nur bewundern, weil man scharfe Messer benutzen darf und alles, außer Weinen und Schlafen, besser kann als sie, weiß ich auch nichts damit anzufangen. Ich freu mich mehr, wenn einer was wird, der schon ist. Man sehe dadurch ganz neue Sachen und andere und alte, aber aus einer neuen Perspektive. Ja, das sehe ich auch, wenn ich nachmittags durch Lissabon lauf. Der Wind weht hier gerade noch so die Hitze weg. Immerhin habe ich schon mal allen gesagt, die ich scheiße finde, dass ich sie scheiße finde. Der Brasilianerin bei Ramiro, dem großen Italiener bei Vino Vero und Ricardo, obwohl ich den wieder mag und dass bei Gelegenheit zurücknehmen muss. Erwachsen oder? Es fühlt sich vielleicht einsam und verloren an, aber sehr richtig und man darf es nicht nur nicht tun, weil es sich so anfühlt. Das ist wie nie Schluss machen, weil man eine schöne Wohnung miteinander hat und Pläne und Schwiegereltern, die man mag. Ist aber ein anderes Thema und hat nichts mit dem zu tun, was ich gestern schon schreiben wollte. Es ist heute Morgen nur akut und ich würde mich jetzt gerne wieder vor der Unvollkommenheit der Welt zurück in meine Texte flüchten. Nachdem ich was geschrieben habe, kann ich die Vollkommenheit dann auf ein paar Meter mit ins Leben nehmen. Es ist ein komisches Gefühl, leer und irgendwie demütig und so, als ob ich einen Stierkampf gesehen hätte. Nach einem Stierkampf weiß ich nie, wie ich mich fühlen soll. Meistens wie jemand, der mit jemandem geschlafen hat, den er nicht liebt. Und trotzdem, was war das für ein Wochenende. Fünf Jungs, ein Dorf, eine Stunde von Lissabon. Man könnte mir alles nehmen und mich einsperren. Ich würde in meiner Zelle sitzen, mit der Erinnerung daran, und schmunzeln. Wie wir da hinter den Holzbarrikaden standen und vor den verbarrikadierten Schaufensterfassaden, wie im Krieg. Mit roten Halstüchern, was bei mir ganz schön schwul aussah. Wir standen auf den Barrikaden und Postkästen oder hingen an den Laternen, wenn die Stiere kamen. Mit einem zehn Liter Schlauch Wein, den uns die Frauen nach dem Mittag gaben, weil wir jung sind und schön und der Tod uns nichts kann. Wir wecken Muttergefühle und andere Gefühle und hatten gut gegessen und sie meinten, wir sollten was Ordentliches trinken, wenn wir die Lardgada überleben wollen und den nächsten Tag […]

BENTLEY

BENTLEY

Niemanden auf der Welt interessiert ein britisches Oldtimertreffen in St. Moritz, wenn es ihn nicht interessiert oder er zufällig in St. Moritz ist und nichts Britischeres zu tun hat. Also musste ich da mal hin. Außerdem schrieb mir ein Freund seit Wochen, ob wir denn nicht kommen wollen und ich fragte, was soll ich denn da, und er schrieb, genau das! Ihr könntet im Suvretta wohnen und am Rennen teilnehmen und den Abend retten und nicht wissen, was ihr hier sollt. Du würdest sicherlich ein paar interessante Erfahrungen machen und sehen, ob du danach noch weißt, wer du bist. Die Mahlzeiten bezahlt, mit Wein, ein Märchenschloss mit Bergblick und Männer, die ihre Autos mit Microfasertüchern putzen und Frauen, die darauf warten, auch mal so benutzt zu werden. Gute Ausgangsbedingungen. Ich sagte zu. Bekam einen Bentley. Rief einfach bei Bentley an und fragte, ob ich mit einem beim Rennen fahren darf, versuchen sie’s auch mal. Die sind sehr nett. Viel netter als die von Aston Martin und wie sie nicht alle heißen. Die Autos sind auch nicht so klobig wie man denkt. Einige sind sehr schön und schnittig, mit fließenden Formen im Fallen nach vorn und dem Aussehen eines Stierkämpfers, in britischem Autorenngrün oder regenhimmlischem Nordatlanitktiefblau. British Classic Car Meeting, Startnummer 109, Bentley Continental GT Speed, Konstantin Arnold, Catarina Fernandes, ich konnte das selbst auch nicht glauben. Ich besitze nicht mal ein Auto. Hatte bisher nur zwei. Einen zwanzig Jahre alten Peugeot 106, den man vor jeder Fahrt neu aufpumpen und alle halbe Stunde Kühlwasser nachfüllen musste (der rechte Fensterheber war eine Kneifzange, die Beifahrertür ging nur von innen auf) und einen Opel Corsa 1.2 aus den 70ern, eigentlich ganz schön, der zwei Wochen hielt, bis ich ihn an einen Priester verkaufen musste. Jetzt fuhr ich einen 283.000 Euro teuren Bentley mit 660 PS, 660! im Maßanzug von Mailand nach St. Moritz, oder das Engadin, wie manche lieber sagen. Wenn mir das jemals jemand gesagt hätte, ich hätte ihm das geglaubt und gelacht. Erste interessante Erfahrung: Man glaubt von sich selbst nie so einer zu sein, und ist es vielleicht doch. Das lässt sich leicht am Beispiel von Touristen festmachen, die in eine Stadt fahren und sich über andere Touristen aufregen, die immer die anderen sind, wie im Verkehr. Ich sehe mich jedoch selbst als den größten Touristen, der am schlechtesten fahren kann und sich von innen auch nie so anfühlt, wie die anderen von außen aussehen. Alle machen alles besser und richtiger als ich, sogar das falsche. Das ist irgendwie mein Problem. Ich spreche da oft mit meinem Therapeuten drüber, der meint, dass das aber ein sehr sympathischer Minderwertigkeitskomplex ist, den man nicht heilen bräuchte. Im Bezug auf so ein Treffen denkt man dann, dass hier alle viel mehr verloren hätten, als man selbst, aber das ist bei solchen Veranstaltungen meistens nie so. Man weiß von sich, dass man nur wegen eines Freundes hier ist oder des und deswegen oder warum auch immer im Bentley sitzt, nur durch das und das, aber wer von diesen Leuten ist nicht wegen irgendetwas hier und fährt durch wen oder was?  Meine Beziehung zu St. Moritz ist natürlich und gesund und oft beschrieben und lässt sich damit zusammenfassen, dass man mit einfachen Wahrheiten nicht mehr weit kommt, wenn man sich die Welt für seine Weltanschauung selbst anschaut. Ich kenne ein paar gute Leute, meinen sehr guten italienischen Freund, Peter vom Suvretta House und die portugiesischen Kellner aus der Chesa Veglia, die einem immer heimlich nachschenken und Extraportionen bringen, wenn man portugiesisch spricht. Was uns aber wieder erst auf dem Weg einfiel, war, dass zwischen Mailand und St. Moritz ja ein See liegt, den wir gut kennen. Wir hatten in der letzten Nacht zwar nicht geschlafen und die ganze Woche davor auch nicht, weil wir beim Stierkampf in den Dörfern waren und letzte Nacht bei […]

CLARO

CLARO

Es war Donnerstag und Ende Mai und man kam dann gut hin. Dass Donnerstag war und Ende Mai ist wichtig und nicht nur irgend so ein Einstieg, denn samstags, und im Juni kam man da schon nicht mehr hin. Die Straße über die Serra wurde gesperrt und von dem schönen Blick über die Bucht blieb kein Boot übrig. Nur Hügel im Vorbeifahren, die schmale Straße, vorm Ozean links. Die weißen wunderschönen Dörfer mit ihren weißen unschuldigen Kirchen, umgeben von kargen Farben, die langsam in der Sonne trockenen. Das Grüne wird erst gold und dann tot. Unschuld ist die einzige Farbe, die nicht in der Sonne trocknet. Man fährt durch das Hügelmeer und dann das richtige und einen Nadelwald, der an Salzwasser grenzt, wie immer und immer wieder neu. Es wäre vielleicht alles gar nicht so, wenn man nicht nur daran vorbeifahren würde. Das Schöne daran ist das Vorbeifahren. Diese Flucht. Aber sie macht auch fickrig und irre, wenn man nichts mit dem Schönen anstellen kann und es immer einfach so vorbeiziehen lässt. An manchen Stellen sieht das Schöne aus wie Portofino, die Karibik, aber verflucht, warum zur Hölle braucht man immer andere, fernere Orte, um den zu beschreiben, an dem man jetzt ist. Vielleicht liegt das an der Ferne und dem Banalen, das da nicht hinkommt. Den schlafenden Booten, gleichwinklig draußen am Horizont. Das Meer ist da sehr blau. Nachts leuchten dort die Sterne, rufen, als versuchen sie ihre Geheimnisse zu offenbaren oder unseres zu begreifen. Wir begreifen sie selber ja nicht. Mag sein, dass wir alle Werke eines Willens sind, der durch unser Fühlen verbunden ist. Es ist der gemeinsame Kern unseres Seins. Ein Fühlen lang schlagen zwei Herzen in der Einheit des Alls. Doch ein Gedanke reißt uns von uns. Er grenzt ein Stück des Gefühls ein, wie Worte, die das Gefühl teilen, in richtig und falschteilen, obwohl es aus dem Einen ist. Er vereinfacht es so, dass es sich sagen lässt und macht es weniger wahr und komplex und nicht mehr mit allem zusammenhängend. Manchmal sind die Gedanken frei und luftig wie Wind auf dem Land. Manchmal drehen sie sich um sich wie schwarze Vögel, die über einem kreisen, der an einem inneren Irrgarten stirbt. Wir können sie nicht unterdrücken. Wir können sie nur benennen und verstehen und in uns aufheben lernen. Versuchen, dass sie nicht auf Abwege geraten und Fantasien erzeugen und Ziele anstreben, die nie zu erreichen sind. Die Stadt bringt sie hervor. Man denkt Gedachtes und drückt Ausgedrücktes aus. Muss schnell fahren für ein bisschen Wind. Lässt sich zu Alltäglichkeiten und Ausschweifungen hinreißen. Streift aus idealistischen Trieben und ungestillten Sehnsüchten zwischen wunden Seelen umher, präsentiere Unterdrückung im Korsett. Sommer ist in der Stadt nur was zum Anziehen und der Geruch von Chlor, das in der Sonne trocknet. Geschwollene Pulsadern. Halbweltdamen, die sich auf ihre Selbstsucht zurückziehen. Im Hintergrund keucht ihre Gier nach Gewinn und eine Gleichgültigkeit, die daraus entsteht. Man kann sich umsonst nur auf eine Bank setzen und hoffen, dass sich die Kultur konzentriert. Auf dem Land ist das anders. Man sitzt auf Plastikstühlen bankrotter Eisteemarken, die gelb in der Sonne leuchten und guckt wie die Wäsche trocknet. Bezahlt irgendwann. Unten drunter ist Kies oder Sand und dann barfuß im Meer. Man wird schöner und schaut sich ständig im Rückspiegel an. Denkt als Gefühl. Die Welt gehört wieder einem und kostet nichts. Donnerstags und bis Ende Mai. Es ist ein schöner Morgen, der nach dem Mittag beginnt. Gestern war es so spät, dass es schon wieder früh gewesen ist. Wir hatten am Miradouro São Pedro de Alcântara einiges klargestellt. Wer wir sind und wie und was Beziehung für uns überhaupt ist und was nicht und dass nicht alles damit zu tun hat. Wir hatten getrunken und uns damit abgefunden und auf der Straße […]

ENDE

ENDE

Die Geschichte muss man nachts schreiben. Fix und fertig, bei Kerzenschein, mit Wein, und allein. Ich dachte immer, so fertig, allein mit Wein schreiben, wäre das Klischee schlechter Geschichten, die man nachts geschrieben hat. Ist es auch, aber ich sitze nun hier und war schon im Bett und hab heut schon genug geraucht und wollte es morgen in aller Frische wieder tun. Sobald die Ruinen im Hinterhof Sonneaufgangsfeuer fangen und ich weiß, die Nacht, die Nacht ist geschafft. Auf meinem letzten Weg zum Klo konnte ich dann Segelboote sehen. Ich sah ihre beleuchteten Spitzen vom Weg zum Klo aus. Das konnte ich nicht einfach so ungeschrieben stehen lassen und mich in den Schlaf onanieren, als ob da keine Segelboote wären und Frauen, mit denen man das tun möchte. Seitdem sitz ich hier, kein Plan wie späts ist, sieht aber spät aus, weil auf dem Laptop schon Nachtmodus ist und der schaltet sich spät ein, hat der Inder gesagt, der mir das installiert hat. Ist der gleiche Inder, den man beim Wasserkaufen auch fragen kann, woher man weiß, dass man mit der Richtigen zusammen ist? Er sagt dann, 4,50€ und dass man aufhört, die zu suchen, die es nicht gibt, außer man arbeitet als sowas wie ich und muss Sachen fragen, wie was wäre wenn und was überhaupt schön ist, für den Fall der Fälle, das was der Fall ist. Er finde, wir benutzen dieses Wort zu allgemeingültig. Picassos Guernica ist auch nicht schön. Wir setzen Kunst und Dekoration gleich, schön und hübsch, aber das ist es nicht, es ist Milch und Blut und etwas, dass eine Kraft hat oder eine Angst bewahrt, die auch zwischen Menschen ist, über die man gerne sagt, dass sie aber ein schönes Paar sind. Vier Jahre Leidenschaft geschafft. Strafe des Himmels. Da hast dus, dein Wasser, meinte er und dass ich mich nicht immer so haben soll. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Ja, sage ich, schon wieder. Um ehrlich zu sein, glaube ich aber, das ist kein Ende. Ein Ende wäre blank. Ein weißes Blatt Papier. Es gäbe nichts mehr zu sagen, dass man schreiben müsste. Mir nicht. Ihr nicht. Egal. Es wäre die Aufgabe von allem und vielleicht eine Antwort auf die Frage, ob ich psychisch krank bin oder allein einfach vollkommener. Das mit dem Vollkommenen habe ich aus irgendeinem Film. Ich weiß nicht mehr, aus welchem, aber ich erinnere mich an die Szene und eine Zeit, in der die Jacarandas blühten und die Bäume sehr grün waren und man das Gefühl hatte, für immer in dieser Wohnung gewesen zu sein. Das macht es schlimm und schön und man denkt, was man so denkt, wenn man sich denkt, dass man sich denken könnte, wohin man nun zieht und wann und wen man dann vögelt. Die Bäume rauschen im Wind und die Kerzen brennen und man will zerbrechen, zerbricht aber nicht. Ich wäre gerne ein Junggeselle geblieben, der an Sonntagen manchmal weint, wenn sie sich anfühlen wie eine ausgeräumte Wohnung.  Die Menschen behindern mich, wenn sie mir was bedeuten. Sie halten mich von mir fern. Besser sind die, die mir nichts bedeuten, nur die bedeuten mir dann viel. Zu viel, weil man sich verliebt, mit allem, was in einem ist und pulsiert und fordert und leben will. Wie kann sowas passieren? Man kommt nicht davon. Heilige gehen deshalb in den Wald, wenn sie die Menschen zu sehr lieben. Nur noch Rilke […]

PORTOFINO

PORTOFINO

Portofino hat mich nie interessiert. Ich habe die Cinque Terre gesehen, das reicht. Viele Autos, noch mehr Menschen, eine Bucht. Immer einer der Strandtücher verkaufen will. Das Essen schlecht. Und teuer. Außerdem liebe ich Genua, und für viele ist Genua nur eine Stadt bei Portofino. Blitzlichtgewitter, aber nicht das glamouröse. Diese wunderbaren Schwarzweißbilder, die muss man Portofino schon lassen. Wer da nicht alles über die Piazzetta gelaufen ist, eins der heißesten Pflaster der Welt. Gable, Bogart, Cardinale, und wie sie nicht alle heißen. Die hatten im Urlaub wenigstens noch was Ordentliches an. Heute kommt 50Cent und trägt Hawaiihemden. Hauptsache Luxusyacht, die irgendwo in der Bucht steht, und den Blick auf die Sonne versperrt. Bei Elisabeth Taylor und Richard Burton hatte das Stil. Die haben Jetset und Paparazzi immerhin erfunden. Ich wusste nicht, dass der Burton so eine Rakete gewesen ist, bis mir jemand seine Tagebücher aufquatschte. Da ist also ein Mann, der den ganzen lieben langen Tag auf seinem Boot lesen und trinken möchte. Ein sehr guter Schauspieler, der ein noch besserer Schriftsteller werden wollte. Und ich dachte, der hätte nur sowas wie Cleopatra gemacht. Burtons Mittelmeergeschichten lesen sich wie eine Seekarte durch die Wetterphänomene der Liebe, die einem nun mal begegnen, wenn man es gut und ehrlich meint und sich einlässt, egal wie schön der Ort auch ist, an dem man gerade ankert. In seinen Geschichten ist Portofino noch genau so, wie es nie war. Und immer dieses Hotel Splendido. Als eine Art Tresor, in dem sich das Lebensgefühl dieses Ortes über die Jahrzehnte gehalten hat. Es dampft hoch oben in den Hügeln am Hang, wie ein Schiff. Schaut terracottafarben über die Bucht und reiht sich in die Landschaft ein, anstatt sie zu zerstören. Alles steht am Hang unter Naturschutz. Jede Blume, jeder Baum, die Zeitlosigkeit. Abfackeln und neu bauen, wie woanders, geht in Portofino nicht. Als hätten sich die Menschen darauf geeinigt, auch die Bösen, dieses kleine Paradies auf Erden zu erhalten. In eine Bucht verzogen. Das Gesicht von der Welt abgewandt. Heute ist das Splendido ein Belmond Hotel. Es gibt Luxushotels und es gibt Belmond, aber zwischen beiden ist manchmal lange nichts. Man kann den Wert eines Hotels ganz einfach an Kugelschreiben und Klopapieren messen, an der Begrüßung und am Briefpapier, an der Art wie der Concierge sagt, dass etwas jetzt leider schon geschlossen hat. An Kleinigkeiten also, die den großen Unterschied machen. Es ist ein Haus das sehr für diesen Ort steht und ihn in sich konzentriert und seine Geschichte heute noch zugänglich macht. Natürlich hat das seinen Preis und natürlich schützen die Preise vor der Ausnutzung dieses Gefühls und keiner kann leugnen, dass das schön ist. Was teuer ist und was nicht, ist besonders für jeden, nur das teuer ist, was keine Qualität widerspiegelt, gilt generell. Im Splendido kann man für den Preis erwarten, dass alles, was man dort tun muss, ist selber scheißen. Ich wohne in vielen Hotels und muss die wunderbare Imperfektion des Lebens meistens irgendwie in meinen Texten überkommen. Außer bei Belmond. Entschuldigung, das ist keine Werbung, sondern verdient. Vielleicht greife ich vorweg, aber ein Beispiel: man sitzt im Zug nach Portofino und hat keine Farbfilme mehr. Es gab in ganz Nizza keine und auch nicht in Ventimiglia, obwohl die Leute auf den Straßen dort alles Mögliche verkaufen. Man fährt schön am Strand lang und bald kommt Latte und die Ebene zwischen Albenga und Loano und dann ruft Luca an, der Concierge aus dem Splendido und fragt, wies so läuft mit der Anreise und ob er irgendwie behilflich sein kann. Er ruft einfach so an, uns einfache, sterbliche Menschen, keine Ölscheichs oder Oscarpreisträger. Ich sagte, Luca, wir fahren gerade auf diesem schmalen Stück zwischen Alpen und Meer und es ist wundervoll und ich habe meine Farbfilme vergessen. Er fragte, wo genau ich wäre und ich sagte, wir sind gerade an einer tollen Kirche vorbei. Ah, das muss […]