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BYND

Konstantin Arnold

SAUDADE

SAUDADE

Gleich laufe ich wieder durch diese Straßen. Gleich atme ich wieder warme Luft, die riecht, wie frisch gewaschen, aber kurz vor dem Trocknen schon zusammengelegt wurde. Gleich fahre ich wieder ein Auto ohne Hupe durch das Herz einer südeuropäischen Hauptstadt. Wie ein Ritter ohne Rüstung. Gleich stehe ich wieder auf meinem Balkon und bekomme ein schlechtes Gewissen nur wegen des Ausblicks. Gleich will ich mich von hier in irgendeinen Freitagabend dieser Stadt stürzen. In eine leicht verregnete Aussicht, die fast vibriert und doch so greifbar ist, wie Wolken. Natürlich gar nicht so leicht in dieser Geschichte die Sonne scheinen zu lassen, wenn die Menschen draußen Handschuhe tragen und man nicht vom Ausdenken lebt, sondern alles aus Realität gewinnt. Sie presst wie eine junge Nektarine. So aufregend, so unreif und so vergänglich. Gleich, aber nur wenn der Abend nicht allzu lang war, schreibe ich, bis das Wetter besser wird, jeder Moment unvergänglich, und endlich unendlich bis zum Punkt am Ende eines Satzes. Gleich esse ich in grellen Straßenrestaurants von matten Aluminiumtabletts, die vor Abnutzung und saftigem Picanha strotzen. Weiße Einwegtischdecken zum Wegwerfen, als ob nichts gewesen wäre. Trinke roten Wein aus gläsernen Karaffen, bis alle Menschen Freunde werden. Manchmal fehlt mir die Lust auf Leute, aber meistens fehlt mir noch mehr Lust auf keine Leute, weil ich dann doch zu gerne über mich selber rede. Und jetzt? Gerade jetzt will ich in Lissabon wohnen und nicht woanders davon erzählen. Ich will irgendeine Bar so oft besuchen, bis sie Gewohnheit wird und mit kleinem Kaffee Zeitung lesen, ohne dabei gesehen zu werden, wie ich mit kleinem Kaffee Zeitung lese. Sein, statt gelten. Leben, was man leben kann und reden, was zu leben noch möglich ist. Ich will diesen Lebenshunger stillen, auch wenn ich hier selten bestellen konnte, was ich gerne gegessen hätte. Dafür ist mein Bar –und Bäckereivokabular erste Sahne. Ein paar lustige Wörter kenne ich auch, wenn es darum geht, eine Portugiesin in einer kurzen Unterhaltung zum Lachen zu bringen. Traue dennoch keiner Frau, die nachmittags keinen Wein mit dir trinken würde. Ihre Regeln nicht für dich bricht! Keine Moral besitzt, die […]